Dieter Hildebrandt´s Bühnenprogramm

original Thema anzeigen

10.10.08, 10:12:34

Jena

Die Lüge schreibt Geschichte
Ehrenpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis an Dieter Hildebrandt

AZ-Bad Kreuznach, vom 10.10.2008

Von
Jan-Geert Wolff

MAINZ "Er kriegt ihn ja nicht", interveniert Dieter Hildebrandt schlagfertig, als Kulturstaatsministerin Doris Ahnen den Ehrenpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis an einen Herrn Hildenbrandt verleihen möchte. Doch der peinliche Versprecher ist schnell vergessen, bekommt der Altmeister des Kabaretts den von der Kulturstiftung des Landes Rheinland-Pfalz gestifteten Preis doch für sein Lebenswerk. "Haben Sie Lebenswerk gesagt?", kommentiert der Geehrte die ministerialen Worte lakonisch. Doch Ahnen ist sich sicher: "Einer wie Dieter Hildebrandt tut dem Land gut." Der Preis kommt mit etwas Verspätung, denn der Kabarettist war zur offiziellen Verleihung im Februar bereits ausgebucht.

Ein feierlicher Auftakt also im Vorfeld einer besonderen Veranstaltung: Dieter Hildebrandt gestaltet mit Roger Willemsen einen Abend über die Geschichte der Lüge: "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort" heißt das Programm, das es auch in Buchform und als CD gibt.

In der Mainzer Phönixhalle sitzen die beiden Heroen des geschliffenen Wortes an Tischen, die ein zerknittertes zementfarbenes Tischtuch bedeckt, gilt es doch, so manche Falte in der Grauzone zwischen Wahrheit und Schwindel auszuleuchten. Anfangs gibt sich Willemsen als charmanter Liebhaber der Lüge und Hildebrandt als Kämpfer für die Wahrheit. Das jedoch wird sich wandeln.

Neu ist die Tatsache, dass die Lüge allgegenwärtig ist und stets ein gutes Stück Geschichte schreibt, nicht. Doch unterhaltsam ist dieser Ritt durch die Historie der Ausflucht und Irreführung allemal. Die beiden legen sich mächtig ins Zeug, um ihre Thesen mit Sprichwörtern von Martin Luther über Oscar Wilde bis Hannah Arend, Zitaten, Anekdoten, Bonmots sowie Fakten, Fakten, Fakten zu untermauern. Ein bisschen zu fest vielleicht, denn diese Gestaltung gibt dem Vortrag gelegentlich den Anstrich einer Magisterarbeit mit allzu vielen Fußnoten. Die erste Stunde des Programms gehört der Plauderei, in der die beiden das Thema einkreisen und sich dabei intelligent die Bälle zuspielen. Der Text dazu wirkt indes arg einstudiert, die vermeintliche Spontanität zu statisch - wie die strenge Choreografie eines Balletts.

"Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort", erinnert man den Titel des Abends und fragt ungeduldig: "Wann fällt der Name Barschel?" Oder wenigstens irgendeines anderen Bürgervertreters? Im zweiten Teil ist´s dann endlich soweit und Kohl, Koch und Konsorten werden der Lüge überführt, auch wenn den einen der Blackout schützte und der andere brutalstmöglich wie erfolgreich die Flucht nach vorne antrat. Hier lägen vielleicht aktuellere Bezüge auch abseits der Schwarzen nicht nur geographisch nahe, doch nutzen die beiden Rhetoriker die Flanken, die ihnen das Zeitgeschehen derzeit schenkt, kaum.

Die Abhandlung der politischen Lüge lässt dann aber endlich den politischen Schalk des ausgezeichneten Hildebrandt aufblitzen, wenn er mit Willemsen die zehn Phasen des Dementis herunterbetet: vom Beharren über das Einräumen bis zur Exkulpation. Weiter geht es mit der Werbung: Der Vortrag des damaligen Contergan-Werbeslogans wirkt aufschreckend wie Alufolie auf einer Plombe. Ein weiteres Zitat umreißt das öffentliche Flunkern perfekt, diesmal von Bismarck: "Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd."

Trotzdem verhält es sich mit dem Bühnenprogramm "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort" wie mit dem Burger vom Fast-Food-Restaurant, das auch der Gourmet zuweilen gerne aufsuchen mag: Das Brötchen schmeckt schon, keine Frage. Aber satt macht es, um bei der Wahrheit zu bleiben, nicht wirklich.
 
Impressum

Powered by: phpMyForum 4.2.1 © Christoph Roeder