07.06.11, 11:08:29
Diandra
Da sind Eltern, die jahrelang dafür gesorgt haben, dass ihr schwer geschädigtes Kind Fürsorge, Liebe und Pflege erhält. Sie richten die Wohnung behindertengerecht ein; sie werden zu Fachspezialisten, wenn es um Erleichterungen im Alltag geht; sie fördern ihr Kind und versorgen es. Die Zeit vergeht, das Kind wird erwachsen. Es muss weiter versorgt werden, da ohne Arme und ohne Beine. Berufliche Perspektiven haben sich nie geboten. Der Kopf ist gesund - aber der Körper ist schwer geschädigt. Jetzt versorgen die Eltern ein erwachsenes Kind. Ein Kind ohne Perspektiven.
Dann stirbt der Vater. Mutter und Kind bleiben zurück. Die Last der Mutter wird größer - aber sie liebt ihr Kind. Hilfsangebote gibt es wenig - sie nimmt sie an. Immer wieder wechselndes Personal (fremde Menschen) stören den Alltag und werden doch gebraucht.
Auch Muttern wird älter, die Sorgen werden größer (wer kümmert sich um mein Kind wenn ich nicht mehr bin), Muttern erleidet einen Schlaganfall ist nun selbst behindert und krank.
Das erwachsene Kind kommt in ein Pflegeheim. Pflege daheim zu teuer weil Rund-um-die-Uhr-Versorgung.
Da sitzt sie/er nun. Mit Glück und wenn genug Personal da ist, wird man in den Rollstuhl gesetzt. An anderen Tagen muss man eben im Bett bleiben - zuwenig Pflegepersonal. Keine Zeit. Der Fernseher wird angestellt und das eh schon begrenzte Leben ist jetzt noch mehr eingeschränkt.
Wie geht es Muttern ? Wieso kann ich nicht bei ihr sein wie jeder andere in meinem Alter es sein darf. Wieso kann ich sie nicht wenigstens besuchen ?
Wo sind sie alle - all die, die Hilfe und Freundschaft versprochen haben ?
Oder nehmt die, die Zeit ihres Lebens die Umgebung eines Heimes nicht verlassen konnten. Deren Leben sich im Heim abspielt. Mit immer wechselnden Bezugspersonen. Und all die älteren Leute um einen rum. Freundschaft schließen ? Für wie lange ? Sie haben die Angewohnheit zu sterben. Und ich ? Ich sitze hier und schaue zu. Mein Kopf ist in Ordnung, mein Abenteuer ist der Fernseher. Ich kenne die Länder, das Meer, den Wind, die Berge, Liebe, Freundschaft, Sexualität, Familie, Kinder und Haustiere. Die Liste ist ellenlang. Ich habe sooo viel Zeit - der Fernseher zeigt mir, was Leben ist. Selber erleben kann ich all dies nicht.
Keiner da, kein Geld vorhanden um eigene festangestellte Betreuer und Pfleger zu bezahlen. Keine Chance auf ein "normales" Leben.
Es gibt sie. Wir wissen das. Und doch sitzen wir am PC und
- wir lamentieren darüber, ob es rechtens ist Forderungen zu stellen;
- wir lamentieren darüber, dass es Schicksal ist, welches man annehmen sollte;
- wir lamentieren darüber, welche Gruppierung die Beste wäre um Forderungen zu stellen;
- wir lamentieren über die Höhe der Schadenspunkte und wem was allerhöchsten zustehen könnte;
- wir lamentieren darüber, was schwerer wiegt - Rollstuhl oder keine Arme, Hörschäden, Gesichtslähmung, Organschäden ... usw.
- wir lamentieren darüber, dass man uns nicht ernst nimmt;
Eins jedenfalls schaffen wir nicht ! Anzuerkennen, dass jeder von uns sein Päckchen zu tragen hat. Egal mit welcher Behinderung er "geschlagen" oder "gesegnet" wurde. Jeder individuell für sich.
Wir sind nicht in der Lage aufzuhören Berechnungen anzustellen, Wertungen zu geben, Vergleiche anzustellen !! Wir vergessen dabei diejenigen, die es am härtesten getroffen hat. Wir schmälern eine uns zustehende Leistung, indem wir großartig verkünden wie sozial denkend wir sind und haben dabei nur uns selber im Fokus !!
Eine geschlossene Einheit hat ein Ziel ! Und da steht jeder einzelne dahinter ! Es geht um eine gerechte Entschädigung. Eine Entschädigung ist eine Leistung, insbesondere eine Geldleistung, die zum Ausgleich erlittener Nachteile oder Einschränkungen geleistet wird.
Und darüber sollten wir uns einig sein - ohne Wenn und Aber ... Das sollte in allererster Linie unser festes Ziel sein. Und zwar gemessen an denen, die es am härtesten getroffen hat.
Diandra