Quelle ARD
Marktbericht
24.10.2008 20:10
Kapitulation!
von Detlev Landmesser
Was hilft da noch: Zynismus? Resignation? Lethargie? Auch am Freitag mussten die Anleger mit herben Verlusten klarkommen – ohne klare Hinweise auf eine Besserung.
Der L-Dax beschloss die dramatische Woche mit einem neuen Jahrestief von 4.271,23 Punkten. Das Tagestief des Dax lag bei 4.014 Punkten - ein Kursverlust von 11,2 Prozent, was fast an den Einbruch am "schwarzen Freitag" vor zwei Wochen herankam, als der Dax im Verlauf um 11,85 Prozent absackte. Auf Wochensicht verlor der Dax 10,2 Prozent.
Mittlerweile haben die 30 im Dax gelisteten Unternehmen seit Jahresbeginn rund die Hälfte ihres Börsenwertes eingebüßt. Das Minus beläuft sich zusammengerechnet auf knapp 500 Milliarden Euro. Das entspricht ungefähr dem Volumen des Rettungspakets der Bundesregierung für die angeschlagene Finanzbranche.
Die russische Leitbörse RTS setzte den Aktienhandel kurzerhand bis Dienstag aus. Zum Zeitpunkt der Entscheidung lag der RTS-Index rund 14 Prozent unter dem Vortagsschluss.
Als die US-Börsen ihre Anfangsverluste reduzierten, ging es auch mit dem Dax wieder etwas nach oben. Am Abend bröckelten die Kurse in New York allerdings erneut ab. Zu dem Stabilisierungsversuch an der Wall Street trug die Zahl der Verkäufe bestehender Häuser im September bei. Auf das Jahr hochgerechnet stieg diese um 5,5 Prozent auf 5,18 Millionen, was deutlich über den Erwartungen lag. Dies war der höchste Wert seit 13 Monaten und der stärkste Anstieg seit Juli 2003.
Kapriolen am Devisenmarkt
Der Kursverfall am Aktienmarkt ging mit schweren Verwerfungen am Devisenmarkt einher. Der Euro brach vorübergehend bis auf 1,2498 Dollar ein. Das war der tiefste Stand seit zwei Jahren. Der japanische Yen setzte seinen Höhenflug gegenüber Euro und US-Dollar fort. Gegenüber dem Dollar stieg er auf den höchsten Stand seit 1995. Zum Auftakt des Asien-Europa-Gipfels (ASEM) in Peking betonten die Wirtschaftsräume daraufhin ihren Willen zur gemeinsamen Krisenbekämpfung.
Ein Trost: Der Ölpreis fällt weiter
Der richtungsweisende US-Ölpreis ging angesichts der Rezessionssorgen weiter auf unter 63 Dollar zurück. Die Opec will mit einer Produktionsdrosselung gegenhalten. Ab November will das Ölkartell seine tägliche Produktion um 1,5 Millionen Barrel oder rund zwei Prozent.
Schwere Verluste in Asien
Der japanische Nikkei-Index brach am letzten Handelstag der Woche um 9,6 Prozent auf 7.649 Punkte ein. Der Elektronikkonzern Sony hatte am Donnerstag nach Börsenschluss eine Gewinnwarnung ausgesprochen und dabei unter anderem auch auf den starken Yen verwiesen.
Auch dem südkoreanischen Sony-Konkurrenten Samsung geht es schlecht. Der Konzern verbuchte im abgelaufenen Quartal einen Gewinneinbruch um 44 Prozent. Samsung rechnet sogar damit, dass sich die Lage in den kommenden Monaten noch verschärft. Der südkoreanische Leitindex Kospi rutschte sogar um 10,6 Prozent ab. Am deutschen Markt litt erwartungsgemäß die Infineon-Aktie unter den Nachrichten. Die Aktie der Noch-Tochter Qimonda stürzte in New York um knapp 16 Prozent auf ein Rekordtief von 0,49 Dollar ab. Damit war das Papier des noch zu 77,5 Prozent zu Infineon gehörenden Speicherchipherstellers weniger wert als eine Speicherchip-Einheit.
Autobauer in Not
Kein einziger Dax-Titel schaffte es im Tagesverlauf ins Plus, wobei die Titel der Finanz- und Autobranche mit besonders starken Verlusten auffielen. Der US-Autobauer Chrysler, an dem Daimler noch 19,9 Prozent hält, kündigte den drastischen Abbau von jeder vierten Stelle bis zum Jahresende an. Schwächster Dax-Titel war der Autozulieferer Conti. Die französischen Autobauer Peugeot und Renault senkten ihre Ausblicke, während der schwedische Lkw-Bauer Volvo seine Prognose für den europäischen Lkw-Markt kürzte. Den derzeitigen Auftragseingang bezifferte das Unternehmen mit "praktisch Null". "Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Im dritten Quartal hat Volvo gerade einmal 115 Neubestellungen erhalten - im Vorjahr waren es in diesem Zeitraum fast 41.970. Und das ist kein Schreibfehler", sagte ein Analyst. Im dritten Quartal sank der Auftragseingang in Westeuropa um 69 Prozent.
Deutsche Post will durchgreifen
Die Deutsche Post will ihr verlustreiches US-Expressgeschäft schneller als bisher geplant sanieren. Der Kapazitätsabbau im Boden-Verteilnetz in den Vereinigten Staaten sei forciert worden, sagte eine Sprecherin zu Reuters. Wenn nötig, würden weitere Sanierungsschritte eingeleitet, sagte sie weiter.
Software AG wird profitabler
Auch im MDax, TecDax und SDax stürzten die Kurse, wenn auch weniger heftig als im Leitindex Dax. Einziger Gewinner im TecDax war neben IDS Scheer die Software AG. Das Darmstädter Unternehmen hat im dritten Quartal sein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um die Hälfte auf 48,7 Millionen Euro nach oben gebracht. Der Umsatz legte um 14 Prozent auf 180,1 Millionen Euro zu. Von Reuters befragte Analysten hatten im Vorfeld einen Umsatz von 171 Millionen Euro und ein Ebit von 40 Millionen Euro erwartet. Allerdings kürzte das Unternehmen seine Umsatzprognose für das Gesamtjahr.
Nordex investiert in Amerika
Inmitten der Krise baut Nordex seine Kapazitäten weiter aus. Der Windkraftanlagen-Hersteller Nordex will im US-Bundesstaat Arkansas mit Investitionen von 100 Millionen Dollar ein weiteres Werk bauen. Dies sei ein zentraler Schritt, um den Wachstumsmarkt USA zu bedienen, kündigte das Unternehmen an. Die Produktionsstätte für Maschinenhäuser und Rotorblätter soll im Januar 2010 den Betrieb aufnehmen.
Atoss bleibt optimistisch
Die Aktie von Atoss Software stemmte sich gegen den Trend. Das Unternehmen hat im dritten Quartal seinen Umsatz um elf Prozent auf 6,7 Millionen Euro nach oben geschraubt. Das operative Ergebnis wuchs von 0,9 auf 1,2 Millionen Euro. Für den weiteren Jahresverlauf ist das Softwareunternehmen trotz der Krise zuversichtlich.