Zitat:
Der komische Hund
Der Sohn eines Freundes ist nach dem Studium nach Australien
ausgewandert.
Von einem der ersten Einsätze in seiner tierärztlichen Karriere
handelt diese Geschichte.
Es ist eine meiner liebsten und sie kursierte durch viele australische
Zeitungen.
Thomas hatte auf einer Farm ein verletztes Pferd behandelt.
Er packte seine Instrumenten Tasche und sah zu wie ein Road Train,
einer dieser Riesenlaster, auf das Gelände rollte.
Der Road Train war gekommen um Schafe zu laden.
Innerhalb des Lasters waren Pferche die man durch ein Stecksystem
in der Größe verändern konnte.
Eine große Herde war schon zusammengetrieben worden und wartete
auf seine Verladung, während ein Hund in den Laster sprang
und ihn inspizierte.
Neugierig geworden stellte Thomas sich neben das Riesenvehikel
um diese Art des Vieh Transportes kennen zu lernen.
Nachdem der Hund sich alles angesehen hatte,
pfiff der Farmer und der Border Collie holte fünf Schafe, trieb sie
in den ersten Pferch und wartete bis ein Helfer ihn geschlossen hatte.
Erst als das Gatter verriegelt war lief er wieder los,
sammelte erneut fünf Schafe, trieb sie in den nächsten Pferch, wartete wieder,
rannte erneut los, und so weiter.
Das wiederholte sich bis die erste Etage des Anhängers gefüllt war.
Thomas war völlig verwirrt..
Er ging zu der wartenden Schafherde um zu sehen wer dem Hund
jedes mal genau fünf Tiere zuteilte.
Aber da war niemand.
Der Border Collie sortierte sich das richtige Bündel selbst.
Das konnte nicht sein.
Thomas ging zu dem Farmer.
Ein wortkarger Mann in den Sechzigern mit einem lederigen
Gesicht, ähnlich einer alten Satteltasche, der an einem Pfosten lehnte
und den arbeitenden Hund beobachtete.
„Warum nimmt der Hund jedes Mal fünf Stück?“
fragte Thomas.
Der Farmer sah ihn verständnislos an.
„Weil genau fünf passen.“
„Ja, aber vier oder sechs würden auch passen.
Ein Hund kann doch nicht zählen.“
„Was? Ist mein bester Arbeitshund.
Der weiß schon was passt.“
Thomas fühlte sich abgekanzelt.
„Darf ich mal was probieren? Halten sie bitte für einen Moment ihren Hund zurück.“
Der Farmer nickte und pfiff den Hund zu sich.
Thomas rannte zu dem Truck und veränderte die Pferche in der noch leeren
unteren Etage.
Dann bedeutet er dem Farmer, dass es weitergehen könnte.
Mittlerweile war die ganze Farmbelegschaft aufgetaucht um
dem Greenhorn zuzusehen.
Der Hund flitzte wieder los, nahm fünf Schafe auf und trieb sie in
den Truck.
Ein triumphierendes Grinsen stahl sich auf Thomas’ Gesicht.
Wohl doch kein Genie.
Der Border Collie blieb eine Weile in dem Pferch, dann kam er,
die Schafe vor sich her schiebend, wieder heraus.
Thomas guckte konsterniert.
Der Hund trieb die Schafe zurück in die Herde.
Verharrte eine glatte Minute, lief anschließend mehrmals vor den Schafen auf und ab,
und sortierte nun ein neues, diesmal siebenköpfiges Bündel aus,
welches er in den vergrößerten Pferch brachte.
Ab hier holte er jedes Mal sieben Schafe.
Thomas Weltbild hatte gelitten.
Hunde können nicht zählen, auch in Australien nicht.
Dennoch hatte er diesen eigenartigen, arrogant wirkenden, schwarz-weißen Arbeitshund
mit eigenen Augen bewusst immer wieder Gruppen der gleichen Anzahl bilden sehen.
Was für eine eigenartige Welt.
Unter dem Grinsen der Umstehenden trottete er nachdenklich zu seinem Auto.
Warum wurde das Gelächter der Idioten immer lauter??
Was bildeten die sich eigentlich ein?
Er drehte sich um, damit er den Trotteln ein paar passende
Worte sagen konnte.
Doch da stand dieser zählende Mistköter vor ihm und hielt seine Arzttasche im Fang.
Die hatte er stehen lassen als der Lastzug kam.
Er nahm die Tasche in Empfang und sagte ganz unbewusst: „Danke sehr.“
Thomas sprang förmlich ins Auto, er wollte nur weg von hier und nie wiederkommen.
Die gesamte versammelte Crew der Ranch drohte an ihrem Lachen zu ersticken.