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wilde61waltraud

(Neumitglied)

Thomas Quasthoff als Kabarettist.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kabarett-im-stuttgarter-renitenztheater-startschuss-zu-einer-grossen-zweitkarriere.f2556eb7-d11d-4031-8dc0-6bab60922300.html

"Kabarett im Stuttgarter Renitenztheater

Startschuss zu einer großen Zweitkarriere

Markus Dippold, 15.12.2013 17:23 Uhr


Stuttgart - Thomas Quasthoff macht jetzt Kabarett? Diese Frage, die beim ein oder anderen Kulturfreund ungläubiges Staunen ausgelöst hat, nahm der Bassbariton als Einstieg in sein Debüt-Programm als Kabarettist. Aus dem Off hört man, noch ehe die Künstler die Bühne des Renitenztheaters betreten haben, einen Dialog um Kunst und um Kabarett, in dem es auch um den „abgebrochenen Meter, den Behinderten, der mal gesungen hat“, geht. So hart das klingen mag, wenn Quasthoff selbst das sagt, darf das als Text stehen bleiben, zumal der weltbekannte Sänger mit der Contergan-Schädigung diese selbstironische Art zum Programm erhebt. Schon der Eröffnungsdialog zeigt, dass der Künstler, der vor knapp zwei Jahren seine Sängerlaufbahn beendet hat, an diesem Abend kein Blatt vor den Mund nehmen wird.

„Keine Kunst“ heißt das Programm, das Quasthoff gemeinsam mit Michael Frowin entwickelt hat. Die Frage, was denn eigentlich Kunst sei, dient den beiden Kabarettisten dabei als locker gesponnener roter Faden. Natürlich muss der ehemalige Sänger, der nach wie vor in Berlin Gesangsprofessor ist, dabei immer wieder auf seine Karriere zurückkommen und intoniert deshalb gleich mal das erste Lied aus Schuberts „Winterreise“, wird aber von seinem Partner rüde unterbrochen. Daraus entspinnt sich ein Dialog über Verfremdung, weshalb Quasthoff mit Berliner Zungenschlag und derber Stimmfarbe zu einer röhrenden „Winterreise“-Parodie ansetzt,

Frowin droht mit der Blockflöte, die als running gag des Abends vielfach vorkommt und doch nicht erklingen darf. Und dann führt Quasthoff ausgiebig sein Talent als Stimmenimitator vor. Hinreißend ist sein Auftritt als Helmut Kohl mit schwerem, pfälzischem Dialekt, der die Kracher-Anekdote „Das Problem der Tretminen lässt sich nur Schritt für Schritt lösen“ zum Besten gibt. Dieses Talent, vokal in andere Rollen zu schlüpfen, nutzt der Sänger, der vor langer Zeit auch mal Radiomoderator war, für einen Rundumschlag durch die deutsche Zeit- und Kulturgeschichte. Und wie das im Kabarett meist der Fall ist, werfen sich die beiden munter die thematischen Bälle zu. Mal wird die These erörtert, dass das Privatfernsehen Kunst sei, garniert von deftigen Sprüchen und umrahmt von allerlei Musiknummern. Die kommen mal mit Jazz-Floskeln und Swing-Rhythmen daher, sind manchmal bissige Chansons und haben vor allem breit ausgedehnte Texte.

Die Stimme ist zu groß für Kleinkunst

Genau in diesen Gesangsnummern liegt denn auch die Schwäche des Abends. Denn die Stimme von Thomas Quasthoff, zumal wenn sie mikrofonverstärkt tönt, ist im Grunde zu groß für diese Kleinkunst. Das an Kunstlied, Oratorium und Oper geschulte Organ überzeichnet hier mehrfach, vor allem wenn Quasthoff solo singt. Im Duett mit Michael Frowin, der auch hier seine enorme Wandlungsfähigkeit und Ausdrucksbreite zeigt, funktioniert das besser, auch weil der geniale Pianist Jochen Kilian mühelos alles trägt und auffängt.

Das eigentliche Ereignis aber sind die bis in die letzte Pointe hinein perfekt ausgefeilten Dialoge. Mit perfekt sitzender Ironie imitieren Frowin und Quasthoff die pseudointellektuellen Foyergespräche in der Theaterpause, die hier als sinnfreie Worthülsen entlarvt werden. Die Vegetarier-Veganer-Flexitarier-Bewegung bekommt ebenso ihr Fett weg wie die überkandidelte Kunstkritik. Ruckzuck sind die beiden bei den unvermeidlichen Kochshows, die sie genüsslich veralbern, indem die einzige Fertigkeit eines Küchengehilfen, Kartoffeln zu kochen, als Revolution der nouvelle cuisine zelebrieren.

In dichter und schneller Folge setzen Quasthoff und Frowin die Pointen und man muss dem halben Dutzend Textautoren, die für diese Vorlagen verantwortlich zeichnen, Respekt zollen. Ein Höhepunkt ist sicherlich die Rubrik „Deutsche Klassiker in drei Minuten“ in der ersten Programmhälfte: Inklusive leiernden Reimen in hessischem Dialekt wird Goethes „Faust“ aufs Wesentliche eingedampft, und die Riesen-Balladen „Die Glocke“ und „Der Taucher“ werden zur knappen „Taucherglocke“ verschmolzen. Egal ob Politik, Fernsehen oder Kultur, bei Frowin und Quasthoff bekommt jeder sein Fett weg. Der Sprecher der Kultusministerkonferenz wird genauso als Texthülsen-Produzent mit demagogischer Rhetorik entlarvt wie der bajuwarische Rettungssanitäter.

Verbindung zur Sängerlaufbahn

Für Kurzweil sorgt die geschickte Verknüpfung der Dialoge mit den Liedern. Da singt Michael Frowin in Tangorhythmen „Du glaubst an Ingwer“ und schiebt mal eben eine Alfons Schuhbeck-Parodie ein, während Thomas Quasthoff sich in dem Chanson „Preise“ selbst auf die Schippe nimmt: alles an Auszeichnungen habe er erhalten, nur nicht den „Tinnitus-Klumpen“. Immer wieder stellt der Bassbariton die Verbindung zu seiner Sängerlaufbahn her, packt die Erfahrungen aus seiner ersten Professur in Detmold in ein Lied darüber, wie er gelernt habe, Studenten zu quälen und verfällt dabei auch mal in einen Louis Armstrong-Ton. Einziger Wermutstropfen: Während sein Bühnenpartner das über zweistündige Programm auswendig bestreitet, muss Quasthoff immer wieder das Skript zu Rate ziehen. Doch eines macht dieser begeisternde Abend eindrucksvoll deutlich: hier bietet sich einem wandlungsfähigen Künstler eine großartige Möglichkeit zu einer zweiten Karriere."

Thomas Quasthoffs Terminkalender:

http://www.thomas-quasthoff.com/category/termine/kalender


Grüße von der "Wilden Waltraud"

18.12.13, 06:36:23
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