Es tut mir leid ....
04.06.11, 09:11:18
Diandra
geändert von: Diandra - 04.06.11, 12:43:04
Mein liebes Kind,
durch Profitgier, unterlassener Hilfeleistung bei jeglichem Fehlen von Unrechtsbewusstsein hat es Ende 1950 bis Anfang 1962 einen Medikamentenskandal ohne Gleichen gegeben. Zig Tausend Säuglinge sind schwerstbehindert zur Welt gekommen, weil eine Fa. die glorreiche Idee hatte, ein Schmerzmittel zu erfinden, welches bei jedem Menschen jedes Wehwechen ganz schnell auskurieren kann.
Als sich die ersten Meldungen häuften, dass mißgebildete Kinder immer öfter zur Welt kamen wurde nach der Ursache gesucht. Es gab Ärzte, die relativ schnell einen Zusammenhang der harmlosen Tablette und den Mißbildungen bei den Babys fanden. Anstatt das Medikament direkt vom Markt zu nehmen wurde abgestritten und abgewiegelt. Erst viele Monate später nahm man dann das Medikament vom Markt, weil die Beweislage dann doch erdrückend wurde.
Jetzt sitze ich hier, 50 Jahre alt, in meinem Rollstuhl und schaue auf mein Leben.
Schon damals hat man unseren Eltern jegliche Rechte beschnitten, jemals eine ordentliche Entschädigungssumme für ihre behinderten Kinder zu erhalten. Oh, man hat uns gefördert, gequält, Orthopäden entwarfen Prothesen, fieberhaft wurden Hilfsmittel ersonnen, damit wir ein relativ "normales" Leben leben können. Es gab das Versprechen der Politik: Wir werden alles dafür tun, dieses Unrecht zu lindern.
Heute ist es so, dass Politiker die Fürsorgepflicht für den Menschen abgeschafft haben. Zum Wohle des Volkes werden ständig neue Steuern und immer höhere Einzahlungen ins Gesundheitswesen gefordert.
Es gab eine Zeit, da war ich stolz auf das, was ich erreicht habe. Eigene Wohnung, Arbeitsplatz, PKW, eigene Familie. Ich habe es gewuppt Euch auf natürlichem Wege zur Welt zu bringen, ich habe Euch beschützt und geliebt und gefördert. Heute habe ich 2 junge Menschen vor mir stehen, die kein Strafregister bei der Polizei haben, die beide einen Beruf erlernen der Zukunft hat - zwei liebenswerte Menschen.
Doch es macht mich auch traurig. Traurig, das ich so egoistisch war, ein "normales" Leben leben zu wollen. So viele Dinge konnte ich Euch nicht bieten. Seien es gemeinsame Urlaubseisen, Tagesausflüge, Berggipfel zu erklimmen oder ins Meer rauszuschwimmen. Die unbeschwerte Kindheit bestand auch darin, Hilfestellungen zu leisten, die andere Kinder nicht leisten mussten. Ihr habt es getan, selbstverständlich - ihr habt mich ja lieb.
Jetzt werde ich älter, die Knochen schmerzen und sind abgenützt, weil Arme, Schultern und Nacken nicht dazu angelegt wurden die Beine zu ersetzen. Ich habe Schmerzen - doch damit belaste ich Euch nicht. Meine Bewegungen werden langsamer, Kraft und Energie schwinden. Sie schwinden auch deshalb, weil sich immer mehr herauskristallisiert, dass ich im Alter eine arge Belastung für Euch werde, falls Gott mir/Euch nicht die Gnade erweist, dass ich urplötzlich Tod aus dem Rollstuhl falle.
Man wird an Euch rantreten, man wird Euch bezahlen lassen dafür, dass Muttern Pflege braucht. Und da ich nicht nur dem normalen Alterungsprozess zum Opfer falle, sondern dabei auch noch schwerbehindert bin, werde ich intensivere Pflege brauchen. Und diese Kosten wird man auf Euch aufteilen.
Dabei gibt es sie: Die renommierte Fa. Grünenthal - mehrere hundert Millionen Reingewinn pro Jahr; es gibt sie, die Politiker, die diesem Elend ein Ende setzen könnten. Es gibt sogar einen Bundesverband für Contergangeschädigte. Leider ist er überwiegend nur damit beschäftigt die eingegangen Spenden zu verwalten, 36 Mitgliedern einen guten Rentenabend zu verschaffen und es gibt die Pharmaindustrie.
Sie alle könnten dafür Sorge tragen, dass doch noch Recht gesprochen wird und ca. 2.800 Geschädigte ohne finanzielle Sorgen in Rente gehen können.
Mein liebes Kind, hätte ich all dies vorausschauender erahnen können, dann hätte ich auf das "normale" Leben gerne verzichtet. In dem Wissen, dass man Euch nicht belangen kann.
Jetzt kann ich nur hier sitzen und traurig sagen: Es tut mir leid ... es tut mir unendlich leid ...
Ich kann Euch nur nahelegen kümmert Euch nicht um mich, ihr habt Berufe, die in aller Welt gefragt sind. Macht das beste drauß, aber nicht hier in Deutschland. Ich komme schon zurecht - das musste ich immer und das werde ich auch weiterhin.
Diandra
Dieser Text ging an die ev. Kirche im Rheinland und an die Kath. Kirche Deutschlands.
Die Rheinische Post, Bild und der WDR wurden auch involviert.
Nicht das sie noch sagen .... ich habe es nicht gewusst ....
04.06.11, 09:32:30
Gast 5
Liebe Diandra,
du hast so traurig geschrieben. Ich fühle genau wie du, weil die Situation auch auf mich zutrifft.
Das ist einer der Gründe, warum eine hohe Entschädigung für mich so wichtig ist.
Ich
will nicht, dass meine Kinder anstelle von Grünenthal zahlen
müssen.
Gruß
Monika
05.06.11, 01:42:39
Ibuki
Liebe Diandra,
auch ich höre große Traurigkeit, sogar Depression aus deinen Zeilen.
In deinem schweren Leben sind viele Probleme erschienen die Spuren nicht nur an deinem Körper, sondern auch an deinem Gemüt hinterlassen haben.
Ich schreibe dir um dich zu bitten dir weniger Sorgen zu machen, aber das ist natürlich leichter gesagt als getan.
Mehrere Problemfelder machen dir zu schaffen und du siehst die Zukunft in düsteren Farben. Hoffentlich kannst du etwas aus meinen folgenden Text an dich heranlassen und dann etwas optimistischer in die Zukunft sehen.
Liebe Diandra,
ich arbeite als Pfleger in einem Heim indem auch immer mal wieder Rollstuhlfahrer leben. Solltest du einmal in ein Pflegeheim ziehen müssen wird deine Familie bestimmt nicht so finanziell abstürzen wie du es befürchtest.
Du würdest nicht wie die anderen Heimbewohner nur 90 Euro Taschengeld monatlich erhalten sondern dazu deine Contirente plus die jährliche Sonderzahlung. Gespartes vom Contigeld steht dir (solange du lebst) in unbegrenzter Höhe zu. Andere Heimbewohner dürfen dagegen nicht mehr als 2600 Euro gespartes besitzen.
Du würdest finanziell im Vergleich zu den anderen in solch einer Extraliga spielen, dass sich die anderen Heimbewohner deinen finaziellen Wohlstand gar nicht vorstellen können.
Auch deinen Kindern wird voraussichtlich nicht so finanziell schlimmes Leid zugefügt wie du anscheinend denkst. Es gibt Freibeträge und absetzungsfähige Lebenskosten usw. bevor sie für dich zahlen müssten.
Ein Beispiel kann ich dir geben. Ich kenne eine Akademikerfamilie mit drei Kindern die für ihre Pflegebedürftige Mutter etwas mehr als monatlich 400 Euro zahlen sollten. Die Familie hat nach Wegen gesucht diese Belastung zu verringern und hat deshalb ein Haus gebaut. Durch die nun deutlich höheren monatlichen Belastungen brauchen sie nichts mehr für ihre Mutter im Altersheim zahlen und haben in einigen Jahrzehnten ein eigenes Haus.
Liebe Diandra,
das du dich für Deine Behinderung bei deinen Kindern entschuldigst ist für mich auch mehr ein Ausdruck deiner im Moment sehr niedergedrückten Seele als an der Realität. Meine eigene Frau war das Kind einer schwer kranken Mutter, die dann auch verstarb als meine Frau erst 14 war. Natürlich hat sie Pflegearbeiten an ihrer Mutter verrichtet und oft Angst um ihre Gesundheit gehabt. Aber solche Erfahrungen vertiefen und beschleunigen die Reife der Persönlichkeit.
Deine Kinder werden ihren Weg sicher durchs Leben gehen. Und solltest du in ein Heim kommen, würde ich dir empfehlen sorge durch deine Contirente doch noch etwas weiter für sie.
Helfe Ihnen zum Beispiel ein Haus zu kaufen oder dergleichen, denn so viel Geld wie du als pflegebedürftige Heimbewohnerin bekommen wirst kannst du dort gar nicht ausgeben und gespartes Geld könnte ansonsten nach deinem Tod an den Kostenträger des Heimes übergehen.
Liebe Diandra,
ich schicke dir meine herzlichen Grüße
Ibuki
05.06.11, 10:37:03
lia
geändert von: lia - 05.06.11, 10:39:33
ibuki kannst du dir vorstellen, dass ein rollstuhlfahrer gerne eine andere perspektive hätte? so tröstlich finde dein szenario nicht, lg lia
ob das diandra nun glücklicher macht? und bemessungsgrenzen können sich ganz schnell ändern, deine zahlbeispiele würden mich nicht beruhigen in bezug auf mein kind
05.06.11, 10:39:44
Diandra
geändert von: Diandra - 05.06.11, 10:43:41
Guten Morgen Ibuki,
Du zeigst gerade mit Deinem Posting unbewusst genau das, was die Contergangeschädigten spaltet. Das, was Du schreibst soll mich aufmuntern und ich soll mich damit zufrieden geben, was ich habe, es könnte ja noch schlimmer kommen. Und andere trifft es ja auch im Alter irgendwann.
Ibuki, die Leute, deren Schicksal Du da beschreibst, saßen sicher nicht von Anbeginn im Rollstuhl. Sie durften nicht Zeit ihres Lebens daran erinnert werden, dass es Menschen gibt, die zwar großes Unrecht und ein schweres Verbrechen begangen, aber tatsächlich von der Pharma-Lobby und der Bundesregierung hervorragend unterstützt und gedeckelt wurden. Sie haben sich die fähigsten Anwälte besorgt, sie haben sich Politiker nicht nur an die Seite gestellt, sondern haben auch mal eben dafür gesorgt, dass ein Richter einfach ausgetauscht wurde. Alles im Namen des Gesetzes.
Du / Ihr habt nicht verstanden, was ich aussagen will. Das ist die Quintessenz ohne Wenn und Aber - das ist das - was uns erwartet. Wieso sollten meine Kinder bauen müssen, wieso sollen sie tricksen müssen um weniger oder nichts zu bezahlen ? Darin liegt allein schon das Unrecht !!! Und wenn sie heiraten und der Mann ihrer Träume hat ein sehr gutes Einkommen, dann kann das mit bei der Berechnung berücksichtigt werden. Soll ich sagen: Heiratet lieber nicht - der Staat steht Schlange und hält die Hand auf :shock:
Auch wenn Du es nicht glauben magst, ich bin ein lebensfroher Mensch der gott sei Dank niemals die Last einer Depression tragen musste. Für mich ist jedes Glas "halbvoll" Kolleginnen und Kollegen schätzen meinen Humor und das verrückteste an mir ist - es kann noch so dicke kommen, dann bricht erst recht Galgenhumor aus.
Danke Ibuki, dass Du mich trösten und aufbauen wolltest, aber ich bin auch absolute Realistin. Genau mit diesen deinen Gedankengängen spielt die Politik, spielt Grünenthal, spielt die Pharma-Lobby.
Im A... gekniffen sind WIR. Denn uns unterstellt man, dass wir nicht sozial denken, sondern egoistisch.
Was damals war - wie es zustande kam - das wird in ein Tuch aus Schweigen gehüllt und vielleicht hin und wieder mit einem betretenen Gesichtsausdruck kommentiert.
Lasst doch einmal kurz den sozialen Touch weg und schaut auf das Wesentliche. Ohne Wenn und Aber ... und dann wirst Du/Ihr sehen, dass immer wieder unser Leben böswillig und mit Absicht beschnitten wird - und das Ganze wieder im Namen des Volkes und der Gerechtigkeit.
Grüßle
Diandra
Noch ein Nachsatz: Wenn ich mit meiner "überschüssigen" Rente, weil ich da ja nicht mehr verbrauchen kann, meine Kinder unterstütze, dann zahl ich also im Endeffekt auch diesen Obulus zusätzlich für geleistete Pflege.
Lieber Staat, das hast Du wahrlich prima hinbekommen ...
05.06.11, 11:31:08
lia
ibuki wer sagt uns denn , das in ein paar jahren die pflegeheime überhaupt einen halbwegs menschenwürdigen mindeststandart bieten, vielleicht muss diandra dann ihre contirente dafür verwenden dass sie nicht "umgebracht"(oder dafür das sie nicht um 17.30 ins bett muss) wird und nicht für den friseur und den sekt, lg lia
05.06.11, 11:54:15
Diandra
ibuki wer sagt uns denn , das in ein paar jahren die pflegeheime überhaupt einen halbwegs menschenwürdigen mindeststandart bieten, vielleicht muss diandra dann ihre contirente dafür verwenden dass sie nicht "umgebracht"(oder dafür das sie nicht um 17.30 ins bett muss) wird und nicht für den friseur und den sekt, lg lia
Mal an alle die denke ... die dieses Schicksal im Pflegeheim ereilte ...
Verhungern und auf Raten zu verdursten ist ein grausamer Tod ...
muss ich jetzt demütig sein und Gott dafür danken, dass ich Arme habe, die ich dann vielleicht noch einsetzen kann ...
Denkt mal darüber nach ...
Lia denkt auch vorausschauend und man kann noch eins drauf setzen!! Was ist, wenn wir keine Angehörigen mehr haben, die auf uns aufpassen während wir dahinvegetieren ...
06.06.11, 12:33:45
Ibuki
Sicher kann ich natürlich nicht sagen welchen Standard in mehr als 10 Jahren Pflegeheime haben werden oder wie dann die Beitragsgrenzen für das Zahlen der Familienangehörigen sein werden.
Dennoch habe ich ich durch die Arbeit in verschieden Heimen soviel Vertrauen in deren Arbeit, dass ich meine Frau ausdrücklich gebeten habe, dass ich im Falle einer schweren Pflegebedürftigkeit mich lieber in einem Pflegeheim als von ihr pflegen lassen möchte.
Regelmäßige Besuche hätte ich aber schon gerne.
Und sollte ich bis dahin auch endlich eine Contirente bekommen, lasse ich diese Rente einfach auf das Konto meiner Frau überweisen - was könnte ich denn auch sonst mit dem Geld machen?
Selbst die 90 Euro Taschengeld könnte ich als Nichtraucher im Monat gar nicht alle ausgeben.
Liebe Grüße
Ibuki
06.06.11, 12:47:06
Diandra
Sicher kann ich natürlich nicht sagen welchen Standard in mehr als 10 Jahren Pflegeheime haben werden oder wie dann die Beitragsgrenzen für das Zahlen der Familienangehörigen sein werden.
Dennoch habe ich ich durch die Arbeit in verschieden Heimen soviel Vertrauen in deren Arbeit, dass ich meine Frau ausdrücklich gebeten habe, dass ich im Falle einer schweren Pflegebedürftigkeit mich lieber in einem Pflegeheim als von ihr pflegen lassen möchte.
Regelmäßige Besuche hätte ich aber schon gerne.
Und sollte ich bis dahin auch endlich eine Contirente bekommen, lasse ich diese Rente einfach auf das Konto meiner Frau überweisen - was könnte ich denn auch sonst mit dem Geld machen?
Selbst die 90 Euro Taschengeld könnte ich als Nichtraucher im Monat gar nicht alle ausgeben.
Liebe Grüße
Ibuki
Wundervoll lieber IBUKI, Du lieferst hier im öffentlichen Bereich gerade die Steillage für Grünenthal, der Bundesregierung und der Pharma-Lobby wieso wir ausreichend und bestens versorgt sind :confused:
Da sage ich mal Danke schön
*kopfschüttelnde Grüße*
Diandra
06.06.11, 13:41:26
Ibuki
Liebe Diandra,
in diesem Forum werde ich nicht so sehr darüber nachdenken was wohl die Firma Grünenthal denkt über mein Geschreibe, sondern meine Meinung mit anderen Opfern dieser Firma austauschen.
Auch wenn ich dich zum kopfschütteln bringe, meine Meinung ist wie sie nun einmal ist.
In den Verhandlungen mit der Firma Grünenthal gebe es meiner Meinung immer noch genug andere Punkte um eine vernünftige Kompensation für die vielfältigen Schäden einzufordern.
Insbesondere dass viele Contigeschädigten durch fehlende Berufsjahre nur eine Minirente bekommen werden, wäre ein Ansatz für begründete Forderungen an Grünenthal.
Liebe Grüße
Ibuki