2017 - Die Überwindung der Entfremdung -

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28.10.13, 10:33:33

Ibuki

geändert von: Ibuki - 28.10.13, 11:02:10

Liebe Leute,

nach einer Forumspause, die ich zum Nachdenken, zum Musizieren,zum Balancieren und zum Schreiben eines Förderungsantrages an eine kirchliche Stiftung genutzt habe, und dieser Prozess geht noch eine gute Woche weiter, möchte ich am 7. November an dieser Stelle meinen Förderungsantrag einstellen.

Ich stelle mich dort unter anderem als Conterganbehinderter vor und werde einige Kopien des Antrages auch an stiftungsunabhängige Experten versenden.

Diese Experten können dann mit meinem Antrag machen was sie wollen. Ignorieren, oder für ihre Forschungsarbeit benutzen oder sich mit Rat und Tat an die kirchliche Stiftung oder an mich wenden, alles ist möglich.

Auch Ihr, liebe Mitcontis seit Experten und könnt mit meinem Schreiben tun was ihr für das Beste haltet.

Die Stiftung und die Experten erhalten auch eine aktuell von mir eingespielte CD mit sieben Liedern. Kann ich diese Lieder hier irgendwie ins Forum laden oder bleibt mir nur der Weg sie bei Youtube hochzuladen und dann hier zu
verlinken?

Einen Hinweis möchte ich Euch geben bevor jemand hier antwortet. Auch der Kirchenstiftung und den anderen Adressaten des Briefes werde ich mitteilen das dieser Brief an dieser Stelle des Conterganforum eingestellt wurde.

Und die URL-Adresse dieses Threads werde ich mitteilen damit sich die Stiftung- bzw. die externen Experten hier ein Stimmungsbild von Eurer Meinung zu dem Ganzen machen können.

Dieser Thread soll also immer öffentlich bleiben. Ich bitte um Verständnis und ggf. um etwas mehr Vorsicht in der Wortwahl eurer Äußerungen.

Liebe Grüße

Ibuki
28.10.13, 11:27:36

salvia

was soll denn gefördert werden, verstehe das nicht so ganz :confused:
28.10.13, 12:00:32

Ibuki

Hallo Salvia,

in dem Antrag beschreibe ich den Inhalt eines Theaterstückes das ich schreiben und 2017 aufführen möchte und das sich teilweise auf meine realen Erlebnisse als Conterganbehinderter Gitarrist und Jongleur stützt.

Vorbereitung und Durchführung werden mich sowohl tausende Zeitstunden als auch tausende Euros kosten. Ich werde die kirchliche Stiftung über den ca. 10 bis 12 Seiten langen Infobrief, leider kriege ich es nicht kürzer hin, über die wichtigsten Dinge des Drehbuches, aber vor allem auch um das ganz aufwändige Vorbereiten eines "Resonanzraumes" im Vorfeld informieren - was ich damit meine, erfahrt ihr beim Lesen des Antrages.

Liebe Salvia, und ihr anderen, vieles was ich dort in dem Antrag auf Förderung formuliere habe ich ja auch schon einige male hier geschrieben, deswegen werdet ihr beim Durchlesen bestimmt viele meiner Gedanken wiedererkennen.

Bitte bleibt beim Warten bis zum Einstellen und natürlich auch beim Lesen einfach schön locker.

Liebe Grüße
07.11.13, 20:48:21

Ibuki

Liebe Leute,

gleich folgt mein sehr langer Brief den ich heute verschickt habe. Zwei darin enthaltende Bilder sind aber leider beim Einstellen verloren gegangen.

Ich vermute, dass der Brief insgesamt auch nun schwieriger zu lesen sein wird, weil der Zeilenumbruch verändert ist.

Zur Adressatenliste im Anhang kann ich sagen, dass ich bei einigen wenigen Adressen Verkürzungen vorgenommen habe um die Privatspähre von den angeschriebenen zu schützen. Bis auf eine Adresse habe ich aber alle Adressaten sowieso im Internet gefunden.

Leider habe ich es gestern nicht geschafft die sieben Lieder, die ich dem Brief auf einer CD beigefügt habe auf Youtube hochzuladen. Am jetzigen Wochenende versuche ich das nachzuhohlen und einen Link hier einzustellen.

Liebe Grüße

Ibuki

Und ab jetzt kommt mein Brief:



Ingo Buntrock Obernfeld 26 33619 Bielefeld Mail: musik.am.krankenbett@gmail.com



An die

Evangelische Stiftung Kirche für Bielefeld
zu Händen des Vorsitzenden
Herrn Klaus-Peter Johner
Markgrafenstraße 7
33602 Bielefeld




Nachrichtlich und zur weiteren Kommunikation an:

Personen aus der kirchlichen
Basis und Leitung, externe
Experten,
sowie an die Nutzer des „Conterganforum“
im Internet: siehe Anhang




Betreff: 2017 – Die Überwindung der Entfremdung -
Vorstellung eines gemeindeunabhängigen Theater- und Musikprojektes anlässlich der Martin-Luther-Dekade und Antrag auf Gewährung von Fördermitteln für den durchführenden contergangeschädigten Künstler



Sehr geehrter Herr Johner,

laut der Konzeption des Evangelischen Kirchenkreises Bielefeld fördert die von Ihnen geführte Stiftung gelegentlich gemeindeunabhängige Kulturprojekte wie z.B. im Jahre 2004 das Kindermusical „König David“.

In diesem Brief möchte ich Ihnen ein Theater-und Musikprojekt vorstellen und Sie bitten, falls Sie dieses Projekt unterstützenswert finden, dafür ebenfalls Fördermittel der evangelischen Stiftung Kirche für Bielefeld zu bewilligen, bzw. mir andere Finanzierungsmöglichkeiten durch die evangelische Kirche aufzuzeigen.

Der heutige Donnerstag, der 7. November, liegt genau eine Woche nach dem Reformationstag an dem der Geistesblitz von Martin Luther vor 496 Jahren in die Welt einschlug. Wir verspüren noch heute den Nachhall - den Donner seiner Worte.

Der heutige Tag liegt aber auch genau eine Woche vor dem 100. Jahrestag der Verleihung des Literaturnobelpreises an den indischen Dichter Rabindranath Tagore. Auch dieser Tag hat bis heute einen spürbaren Nachhall. Erst durch diesen Tag wurde das indische Genie in Europa und irgendwann auch mir bekannt. Am Ende dieses Briefes habe ich sein aus meiner Sicht nach wertvollstes Gedicht gestellt. Ich bitte Sie sehr, studieren Sie es aufmerksam und versuchen Sie bitte auch die Botschaft des Gedichtes zu hören.

Und heute, genau in der Mitte der beiden wichtigen Jubiläen, stand - exakt vor einem Jahr - in der hiesigen Tageszeitung ein Bericht über eine Lesung der Bielefelder Schriftstellerin Sigrid Lichtenberger. Zwei Tage zuvor, am 5. November, fand diese Lesung in der Dornberger Stadtteilbibliothek unter dem Titel „Aufbrüche“ statt.

Frau Lichtenberger bot uns Zuhörern spannende Einsichten aus ihrem fast 90jährigem Leben. Ich bedankte mich am Ende der Lesung indem ich ihr das Gedicht vom Ende dieses Briefes aufschrieb und mir wurde bewusst dass diese Lesung auch noch in sehr langer Zeit einen spürbaren Nachhall bewirken wird.

Denn ich war als Zuhörer bei dieser Lesung anwesend und mein Stuhlnachbar, der für mich zuständige Dornberger Pastor Biermann, hat mir und mehreren tausend anderen Menschen während einer kurzen Pause eine unerhörte Botschaft zukommen lassen. Ich habe ihm damals sofort gesagt, dass ich zu gegebener Zeit mich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Botschaft zur Wehr setzen werde. Und heute, am Donnerstag, den 7. November, ist dieser Tag der Gegenwehr gekommen.

__________

Sehr geehrter Herr Johner,
laut dem Komponisten Robert Schuhmann ist es die Aufgabe des Künstlers Licht in die Herzen der Menschen zu bringen.

Das ist sicher ein sehr wichtiger Aspekt in unserer künstlerischen Arbeit, aber ich habe mir weitergehende Ziele gesteckt. Mein Projekt soll nicht nur einem ästhetischen Zweck dienen, sondern soll auch zum Lernen anregen.

Deshalb schreibe ich auch einigen kirchenunabhängigen Experten aus Wissenschaft, Kunst, Sport und Politik diesen langen Brief. Alle Menschen, die diesen Brief erhalten, sind gestandene Menschen und haben durch eine Ausbildung oder Studium und jahrzehntelange Arbeit, bzw. Training ihre jetzige Stelle erreicht.

Durch diesen Brief, den diese klugen Menschen erhalten, empfangen sie neue Informationen. Sie können diese Informationen und Denkimpulse, wenn sie möchten, nutzen und / oder sich in eine Diskussion, die ich hiermit anrege, einbringen.

Wenn ich im weiteren Verlauf Ihren Namen, Herr Johner, erwähne, meine ich damit natürlich auch gleichzeitig alle anderen Leser und natürlich sind auch die Leserinnen immer mitgemeint.

Möglicherweise haben diese anderen Leser und Experten Interesse daran mitzuverfolgen wie sich mein Projekt entwickelt, oder es sogar zu unterstützen. Sie alle sind von mir herzlich eingeladen nun zu lesen was ich zu sagen habe und bald mitzuerleben, wie die evangelische Kirche und ihre Stiftung darauf reagiert.

Einmal jährlich werde ich deshalb bis zum Jahre 2019 (das Jahr des Projektabschlusses) einen aktuellen Bericht erstellen und diesen kostenfrei an Sie, Herr Johner und an die im Anhang genannten Experten verschicken.

Eine umfangreichere Dokumentation meiner Erfahrungen wird im Jahre 2018 als Buch verfasst und kann nur käuflich erworben werden.

Allerdings werden die Experten, die ihr Fachwissen in dieses Projekt mit eingebracht haben, ein Buchexemplar geschenkt bekommen. Sollte jemand von mir keine weiteren Briefe erhalten wollen, bitte ich um eine kurze Nachricht per Mail. Ihren Wunsch werde ich sofort umsetzen.

Zu dem Projekt und zu meiner Person möchte ich Ihnen folgendes mitteilen. Bewusst beschreibe ich umfangreicher als gewöhnlich meinen Werdegang zu dem Projekt für das ich um Unterstützung bitte, denn Sie, sehr geehrter Herr Johner sollen sich eine Vorstellung machen können, mit welchem Elan und Willenskraft ich dieses Projekt angehe.

Vor 52 Jahren wurde ich mit Auffälligkeiten an inneren Organen und am stärksten sichtbar an meinen Daumen geboren. Allerdings wurden viele meiner Schäden jahrzehntelang nicht bemerkt, bzw. man hat sie nicht als conterganbedingt eingestuft, denn in der ländlichen Umgebung, in der ich aufwuchs, gab es keinen Experten, der sich damit gut genug auskannte.

Was aber schon damals auffiel und als Conterganschaden diagnostiziert wurde, sind die Muskeln, mit denen ich meine Daumenendglieder hätte bewegen sollen. Diese speziellen Muskeln fehlen bei mir komplett.

Aufgrund dieser Tatsache konnte ich nicht den Wunsch meines Vaters erfüllen und Geige spielen erlernen. Und als junger Erwachsener musste ich mich einer schweren Handoperation unterziehen, bei der Sehnen und Bänder durchtrennt werden mussten um sie an einem anderen Finger anzuschließen. Seit dieser Zeit schwingen täglich beim Gebrauch der rechten Hand immer auch etwas Schmerzen mit und diese Operation machte es noch unwahrscheinlicher das jemals aus mir ein Instrumentalmusiker wird.

Mein Vater, der durch eine lange sibirische Kriegsgefangenschaft schwer traumatisiert war, betrübte dieses Schicksal sehr, aber es half kein Klagen, Geige spielen erlernen war mir verwehrt, denn ich konnte den Geigenbogen nur unzureichend festhalten. Den Satz von Franz Liszt:“Schafft euch liebe Erinnerungen“ konnte ich deshalb für ihn zu seinen Lebzeiten nicht erfüllen.

Auch sonst war in meiner Kindheit und Jugendzeit nicht immer alles eitel Sonnenschein. Insbesondere in der Grundschulzeit hatte ich es schwer. Contergan-bedingt (wie sich Jahrzehnte später herausstellte) habe ich zwei verengte Gehörgänge und konnte deshalb nicht immer alle Informationen so gut wie andere Kinder aufnehmen, hatte viele schlechte Zensuren auf meinen Zeugnis und zeitweise war sogar meine Versetzung gefährdet, auch das betrübte meinen Vater sehr.

Er meinte damals, durch besonders strenge Erziehungsmethoden, einschließlich regelmäßiger harter Schläge für Kleinigkeiten, würde er mir helfen können mich besser zu konzentrieren.

Für mich als damals siebenjährigen Jungen war deshalb mein Leben nicht leicht zu ertragen, aber etwas gab mir wichtigen Halt und Kraft.

Denn ich war ein gläubiges Kind. Das Gott im Himmel es gut mit mir meinte, stand für mich außer Frage und wenn ich damals schwierige Erlebnisse zu verarbeiten hatte, stellte ich mir immer wieder auch die Frage nach dem Sinn des ganzen Theaters um mich herum.

Und ich kam schon früh zu einer für mich befriedigenden Antwort. Mein schwieriges Leben ist eine Prüfung, so dachte ich. Ein höheres Wesen testet mich kleinen Erdenmenschen, wie ich nun mit der mir auferlegten Belastung umgehe.




07.11.13, 20:52:54

Ibuki

Liebe Leute,

mein Brief hatte zuviele Zeichen um als ein Beitrag angenommen zu werden Es sind über 50.000 statt der erlaubten 10.000.

Es bleibt mir leider nichts anderes übrig als den Brief aufzuteilen und jetzt die anderen Puzzle hier einzustellen.
Bitte deswegen noch nicht antworten. Sonst wird es für euch ja noch schwieriger alles in einem Zusammenhang zu lesen.
07.11.13, 20:57:23

Ibuki

Fortsetzung:

Und vielleicht - so dachte ich bereits sehr früh - werde ich von meinem Schöpfer durch die mir auferlegten Belastungen einfach nur besonders hart trainiert, um im späteren Verlauf meines Lebens aus irgendeinem, mir noch nicht bekanntem Grund, stärker als andere Menschen zu werden.

Sehr geehrter Herr Johner,
diese Sichtweise machte mir nun vieles leichter. Zu entdecken - hinter scheinbar Unsinnigem gibt es versteckt doch einen Sinn. Diese Erkenntnis empfand ich als Bildungssprung und meinte schon damals, dass wohl nicht viele Kinder in meinem Alter bereits eine so fortgeschrittene Sichtweise entwickelt haben. Ich fühlte mich aber auch wegen einer weiteren Erkenntnis weiter als viele in meiner Umwelt.

Mir war nämlich klargeworden, dass ich auf Respektlosigkeiten von anderen Menschen mir gegenüber am sinnvollsten reagiere, indem ich mir auch die oft darin liegenden Chancen verdeutliche und am Ende sogar aus Respektlosigkeiten mir gegenüber einen Vorteil verschaffe, indem ich, einem Judokämpfer ähnlich, den Schwung eines respektlosen Mitmenschen ausnutze um meine strategischen Potenziale zu stärken nach dem Motto „Widerstand gibt Kraft“.

Aus dieser Grundhaltung der Selbstachtung heraus begann ich, trotz (oder natürlich gerade wegen) massiver Einwände meines Vater, der im Krieg nach seinen Erzählungen schlimmste Erfahrungen mit Waffen gesammelt hat, im Alter von rund 13 Jahren Sportschießen mit einem Luftgewehr in dem örtlichen Schützenverein.

Sportschießen ist eine besondere Sportart, denn man lernt dabei sich und seine Muskel- und Seelenanspannungen in aller Ruhe besonders gründlich kennen. In einem jahrelangen Lernprozess trainierte ich vor allem ruhiges Atmen, das motorische Gedächtnis, sowie sensibles Wahrnehmen taktiler Reize.

Erstaunlich war, dass sich nicht nur meine Trefferquote beim Schießen erhöhte, sondern auch mein Selbstwertgefühl und meine schulischen Leistungen verbesserten sich von Jahr zu Jahr.

Als ehemaliger Hauptschüler konnte ich später sogar an einer Fachhochschule studieren und habe insgesamt eine weit über den Durchschnitt liegende Fähigkeit erworben, sehr gezielt feinste Muskelsteuerungen zu erlernen.

Obwohl der Schießsport mich stark prägte und ich ihm für mein ganzes weiteres Leben enorme Möglichkeiten der körperlich-seelischen Selbstkontrolle verdanke, vollzog sich nach 14jähriger Vereinsmitgliedschaft ein sehr tiefgehender Bruch, oder besser gesagt, ein Aufbruch.

Es war das Jahr 1988. Nach jahrelangem Training und Wettkämpfen wurde ich nun mit der Leistung 369 von 400 möglichen Ringen erstmals Sieger bei den Vereinsmeisterschaften im Schützenverein Kirchlengern.

Dieser erste kleine Sieg auf Vereinsebene setzte bei mir intensive Überlegungen über meine Vergangenheit und meine Zukunft in Gang und am Ende überraschte ich meine Vereinskameraden 1988 ein zweites mal.

Ich fragte nämlich meine Kameraden wer von ihnen mein Luftgewehr und meine Schießausrüstung kaufen möchte, und auf die verdutzten Fragen nach dem Warum, antwortete ich mit einer für sie sehr seltsam wirkenden Begründung.

Sie erfuhren von mir das ich das Geld von dem Gewehrverkauf nach Kalkutta bringen und in den Ankauf von Kunstgemälden investieren möchte.

Dort, so schilderte ich ihnen meine Phantasie, wären noch unentdeckte Künstler. Wenn ich es schaffen sollte auch nur einen von ihnen eine Karriere zu verschaffen, wäre eine Gewinnsteigerung von mehr als dem 1000fachen Wert meines Luftgewehres zu erzielen.

Außerdem hätte ich in dem fernen Kalkutta tolle Trainingsmöglichkeiten. Ich kenne doch nicht viel anderes als meinen kleinen Heimatort Kirchlengern, den Schützenverein und ein paar andere Menschen. Da draußen in der weiten Welt warten Begegnungen, neue Horizonte und Chancen, die, wenn ich sie nutzen möchte, mich zwingen werden mich selbst zu verbessern.

So konnte ich nur sehr gebrochen Englisch sprechen und in einer Kunstausstellung war ich auch niemals zuvor in meinem Leben. Aber ich war offen für alles. Meisterschütze wird man ja auch nicht an einem Tag, das habe ich nun in meinem 14jährigen Training verstanden und als Lehre mit ins Leben genommen und mir war schnell klar, dass der Weg nach Kalkutta zu gehen und mit einem erfolgreichen Kunstprojekt zurück zu kommen, wohl ein mindestens ebenso-langer Weg sein würde.

Der Weg nach Kalkutta war für mich als mittelloser Student nicht einfach. Um meine Vision verwirklichen zu können habe ich vorher monatelang dafür in Fabriken und bei der Müllabfuhr gearbeitet und auf das verdiente Geld sehr aufpassen müssen.

Und in Kalkutta angekommen, habe ich in meiner Suche auch tatsächlich einen Künstler getroffen, dem ich eine Weltkarriere zugetraut und gewünscht hätte. Seine Gemälde kosteten damals aber umgerechnet pro Stück 800 DM. Ich hätte am liebsten gleich alle ca. 30 Gemälde seiner Ausstellung gekauft. Aber ich hatte nicht die finanziellen Möglichkeiten dazu.

Was mir aber möglich war, wollte ich umsetzen. Ich engagierte einen Fotografen mit einer professionellen Mittelformatkamera und lies von ihm Fotos der Gemälde anfertigen. Mittlerweile ist der Künstler leider schon verstorben, aber seine Ideen leben in den Aufnahmen weiter.

__________

07.11.13, 21:01:27

Ibuki

Fortsetzung:

25 Jahre sind nun seit meinem Gewehrverkauf an einen Schützenbruder aus meinem Heimatdorf vergangen. Nie wieder habe ich mich auch nur ein einziges mal meinem alten Schießstand genähert oder einen Kontakt zu den Kameraden gesucht, denn ich wollte von meinen Kalkutta-träumen nicht mit leeren Händen zu ihnen heimkehren.

Ob man sich nach so langer Zeit an mich erinnern wird, werde ich am nächsten Donnerstag bei meinem ersten Schießtraining nach 25 Jahren auf dem Schießstand erfahren. Für mich wird diese Rückkehr in meine alte Heimat so etwas wie ein neuer Aufbruch sein. Denn ich komme nach so langer Zeit an einem besonderen Tag zurück. Es ist das 100jährige Jubiläum von der Verleihung des Nobelpreises an den in Kalkutta lebenden Künstler Tagore.

Ich bin den langen Weg nach Kalkutta gegangen, habe dort unter seltsamsten Bedingungen nach Künstlern Ausschau gehalten und möchte nun an diesem besonderen Tag, an diesen besonderen Ort mit dem Schießstand, der mich für mein Leben formte, zurückkehren.

In einigen Jahren werde ich auch wieder an Wettkämpfen teilnehmen, wenn auch nicht mit meinem alten Verein, denn die Entfernung ist etwas zu groß.

Sehr geehrter Herr Johner,
heute ist der Tag an dem ich diesen Kontakt wieder herstelle. Eine der angeschriebenen Experten ist der Sportleiter in dem Verein, in dem für mich meine spannende Lebensreise besonders geformt wurde und er kann sich nun in diesem Brief einen Teil meiner Lebensgeschichte durchlesen aus der bis 2017 ein Theaterstück entstehen wird und Sie, sehr geehrter Herr Johner, werden dringend gebeten es mit der kirchlichen Stiftung zu unterstützen.

Sie fragen sich vielleicht was ich in Kalkutta so erlebt habe. Ein kleines Detail aus den vielen Erfahrungen, die ich dort in meinen mehrmonatigen Aufenthalten machen durfte, ist folgendes.

Ich habe in Kalkutta festgestellt, dass eine Aussage von Martin Luther von vor rund 500 Jahren noch immer zutrifft. Und dieses Wissen möchte ich gerne mit Ihnen teilen.

Vor Jahrhunderten hat Martin Luther folgendes gesagt. „Weißes kann man besser erkennen, wenn man Schwarzes dagegenhält.“

Als ich in Kalkutta war, lebte ich auf dem Dachgarten eines Hotels mit dem schönen Namen „Hotel Maria“. Ich wollte Geld sparen und viele Menschen kennenlernen. Deswegen habe ich kein Einzelzimmer gemietet, sondern auf dem Dachgarten mit manchmal 30 anderen Gästen Matratze an Matratze gelegen. Die anderen Gäste blieben meist nur 1 bis 3 Tage, ich dagegen blieb dort monatelang.

Ein Grund war unter anderem, das regelmäßig hübsche Frauen unter den anderen Gästen waren. Aber als ein noch nicht sehr welterfahrenerSportschütze war ich anfangs noch etwas holprig mit meinen Kontaktmöglichkeiten.

Aber das änderte sich schnell. Denn damals gab es häufig Stromausfälle und manche hübschen Damen guckten dann fragend und etwas ängstlich umher. Da erinnerte ich mich an Martin Luthers schönen Satz und zündete eine kleine Kerze an und näherte mich dann damit der Dame meines Herzens.

Die typischen Rituale der Kontaktaufnahme lernte ich auch schnell und so hatte ich immer wieder bei den Stromausfällen durch mein kleines Kerzenlicht neue Beziehungen aufbauen können. Und war das Schicksal mal nicht so gewogen und es gab keinen Stromausfall, half ich etwas nach, denn durch meine lange Anwesenheit wusste ich welche Schalter zu bedienen waren damit das Licht ausfiel.

So habe ich auch meine Frau kennengelernt, wir sind nun bereits seit 22 Jahren verheiratet und haben 3 fast erwachsene Söhne. Martin Luther sei dank.

Sehr geehrter Herr Johner,
nach meinem Kalkuttaaufenthalt war mir absolut bewusst, ich kann auch in einem schwierigen Umfeld ziemlich gut klar kommen. Denn ich kann mich länger und kraftvoller als andere auf ein Ziel konzentrieren, lasse mich auch nicht so einfach durch Störsignale ablenken und außerdem habe ich auch eine gewisse Lust an schwierigen Herausforderungen.

Mir war nun auch klar das meine Möglichkeiten im sozialen Bereich genutzt werden sollten, denn viele Menschen, die in sozialen Berufen betreut werden, könnten von meinen - durch hartes Training erworbenen - speziellen Konzentrationsfähigkeiten, profitieren.

Steve Jobs, der Vordenker der Computerindustrie, Gründer und langjährige Lenker der Firma Apple, sagte einmal: „Diejenigen, die so verrückt sind zu glauben, sie könnten die Welt verändern, sind tatsächlich diejenigen, die es tun.“

Diesen Satz kannte ich damals noch nicht, aber er ist absolut zutreffend. Denn, selbst wenn durch die Weltverbesserungsversuche eines einzelnen Menschen am Ende heraus kommt, das man nur sich selbst besser kennengelernt und auch nur sich selbst verbessert hat, wird am Ende auch die Welt ein Stück davon profitieren; denn unsere Welt ist hoch vernetzt und jede Verbesserung zählt.
__________
07.11.13, 21:04:10

Ibuki

Fortsetzung:

Sehr geehrter Herr Johner,
über einige interessante Umwege bin ich nach meiner Rückkehr dann mit 30 Jahren Pfleger in einem psychiatrischem Krankenhaus geworden. Wie bereits erwähnt, heiratete ich und bekam 3 Söhne geschenkt. Und auch jetzt noch arbeite ich gerne in einem psychiatrischem Arbeitsfeld.

Aufgrund eines Hinweises meiner Frau, einer ehemaligen Mitarbeiterin aus Mutter Theresas Sterbehaus, versuchte ich mir vor gut 20 Jahren das Zigarettenrauchen durch Erlernen eines klassischen Gitarrenliedes abzugewöhnen und ich war verblüfft wie gut dies funktionierte.

Ruck-zuck hatte ich begriffen dass meine Hände ganz besondere Gottesgeschenke sind, denn klassische Gitarrenlieder zu erlernen ist eigentlich für uns contergangeschädigte Menschen nicht vorhergesehen, oder, so dachte ich mir, hat ein göttlicher Schöpfer da oben im Himmel mit meinen Händen noch etwas Besonderes vor.

Mir half nun sehr beim Lernen des Gitarrenspielens, mein beim langjährigen Sportschießen erworbenes motorisches Gedächtnis. Alle meine Lieder spiele ich auswendig.

Das Gitarrenspiel brachte mir sowohl privat als auch als Pfleger beruflich genutzt, viel Freude und ich wollte, für den Fall dass mein Schöpfer meine Gitarrenkenntnisse irgendwann für seine weiterführenden Pläne brauchen sollte, vorbereitet sein und übte viele Stunden; aus Zeit- und Geldmangel aber immer ohne Lehrer, zumindest bis vor kurzem.

Vor rund 3 Jahren änderte sich aber einiges. Ich beabsichtigte bereits damals Fördergelder von einer Stiftung für einen künstlerischen Zweck zu erbitten und stellte während meiner Internetrecherchen fest, das ich als Contergan-behinderter Mensch Anspruch auf eine lebenslange monatliche Rente habe.

Ich war ganz ehrfürchtig ergriffen, das - nun endlich - auf der Suche nach neuen Horizonten sich auf einmal hier eine neue Chance auftat und dankte meinem Schöpfer für dieses späte Glück.

Als ich dann wirklich von der Conterganstiftung als Geschädigter anerkannt wurde, erhalte ich seitdem eine monatliche Rente. Es ist klar das sich nun, durch die finanzielle Verbesserung mehr Möglichkeiten auftun um meine körperlichen Fähigkeiten gezielt weiter zu verbessern und etwas Schönes daraus entstehen zu lassen.


Auch wollte ich meine Möglichkeiten einsetzen um damit höhere Conterganrenten zu erkämpfen, denn ich finde es nicht fair, dass ich für die von Contergan verursachten erheblichen Nierenschäden, beide Nieren sind bei mir betroffen, nur wenige Hundert Euro Entschädigung pro Monat erhalten soll. Und auch andere Opfer erhielten eine, im Vergleich zu ihren Körperschäden, viel zu geringe Entschädigungsrente.

Neben den üblichen Protestformen, wie z.B. Demonstrationen, suchte ich einen eigenen Weg. Ich wollte mich künstlerisch mit dem Thema auseinandersetzen. Deswegen kaufte ich von den ersten Rentenzahlungen u.a. Acrylkugeln um mit diesen Kugeln die sogenannte Kontaktjonglage zu erlernen um so meine taktilen Wahrnehmungs- und Kommunikationsmöglichkeiten zu verbessern. Außerdem dachte ich auch schon immer langfristig. Vom Anbeginn meines Trainings erhoffte ich deshalb das ich dereinst mit Jonglieren und Gitarrespielen meine Rente aufbessern werde.

Bei der Kontaktjonglage wird durch spezielle und ziemlich schwierig zu erlernende Balancierbewegungen mit den Kugeln auf dem Körper ein für viele Menschen schön wirkender Reiz ausgesendet und selbst fremden Menschen gelingt es dann oft sehr schnell mit mir ins Gespräch zu kommen.

Sie sind nämlich von der Schönheit des ausgesendeten Reiz fasziniert und staunen über meine akrobatischen Fähigkeiten. Durch meine Kontaktjonglage habe ich so den Menschen den ersten und damit schwierigsten Kommunikationsschritt abgenommen. Die weitere Kommunikationsrichtung zu lenken, fällt mir dann in der Regel nicht schwer.

Diese Erweiterung meiner Kommunikationsmöglichkeiten über meine Haut als Werkzeug ist mir sehr wichtig. Deshalb übe ich täglich durchschnittlich mit den Kugeln auch genauso lange wie mit meiner Gitarre.

Nach meiner Meinung bin ich bereits in wenigen Jahren in der Lage Kurse in Kontakjonglieren an Schulen zu geben. Insbesondere Schulen für gehörgeschädigte Kinder hätten meiner Meinung nach Bedarf an meinen Fähigkeiten, denn die Haut ist unser größtes Organ und verarbeitet unvorstellbar viele Informationen.

Gerade gehörgeschädigte Kinder würden durch intensives Training ihrer Haut in besonderem Maße profitieren. Diese Kinder könnten mein akrobatisches Wissen zur Erweiterung ihres Körpergefühles nutzen und ihre eingeschränkten Kommunikationsfähigkeiten steigern.

07.11.13, 21:06:25

Ibuki

Fortsetzung:

Bei richtiger Stimulierung der Haut wird vom Gehirn das Stresshormon Kortisol abgebaut und bei angenehmen Berührungen Oxytocin produziert. Dieses Hormon ist bekanntlich sehr wichtig um emotionale Bindungen und Vertrauen aufzubauen. Und auch unser Immunsystem sowie unsere kognitive, emotionale Entwicklung wird durch unsere Hautsignale stark beeinflusst.

Sehr geehrter Herr Johner,
ich arbeite, wie bereits erwähnt, seit Jahrzehnten in der Psychiatrie und in diesem ungewöhnlichem Umfeld sind mir die Vorteile einer sinnvollen Haut- und Muskelhygiene sehr bewusst geworden.

Eine Figur aus einem Roman von Solschenizyn ist mir sehr ähnlich. Diesem Mann wird nämlich erst in einem sibirischen Gefangenenlager bewusst wie wichtig Schuhpflege ist. Denn bei den dortigen Lebensbedingungen würden einem die Zehen erfrieren wenn die Schuhe ungepflegt sind und ein Loch bekommen.

Unter normalen Lebensbedingungen würde sich ein waches Bewusstsein für die Möglichkeiten, die wir durch unsere Haut haben, wohl ebenfalls nur schwer entwickeln können. Aber meine Lebensumstände als psychiatrisch Pflegender mit einer schon im Vorfeld hoch-trainierten Feinmotorik haben mir geholfen die Vorteile des nur wenigen Millimeter dicken Organs für die Seelenpflege und zur Kommunikation wahrzunehmen und gezielt zu steigern.

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Sehr geehrter Herr Johner,
diese lange Vorgeschichte erschien mir notwendig damit Sie den weiteren Gang der Geschichte und wieso ich daraus ein Theater-und Musikprojekt entwickle, genau verstehen können.

In den nächsten Abschnitten beschreibe ich nun tatsächlich Erlebtes und erkläre dann wie das Theaterstück konkret aussehen wird.

Wie bereits erwähnt, wollte ich künstlerische Mittel erarbeiten um damit auch bessere Conterganrenten zu erstreiten. Deswegen trat ich vor gut einem Jahr per Mail an die Kirchengemeinde Dornberg, in der ich seit über 20 Jahre wohne, heran und bat erstmals in meinem Leben darum das Presbyterium sprechen zu dürfen.

Ich wollte Ihnen die Problematik der zu niedrigen Conterganrenten erklären und mit Ihnen besprechen ob, bzw. wie die Presbyter der Kirchengemeinde mich dabei unterstützen könnten per Petition eine gerechtere Rente zu erreichen.

In der Mail erklärte ich, dass ich vor allem an Schulen und in Kirchengemeinden mit meiner Gitarre und mit Kontaktjonglagebällen Auftritte durchführen möchte und durch diese kleinen Auftritte hätte ich ein Publikum, welches ich so nebenbei auf Mitunterstützung der Petition ansprechen könnte.

Aber dieser Weg erschien mir auch aus Gründen der menschlichen Neugier sehr vernünftig. Im Kontakt zu den Lehrern und Schülern würde ich viele Erfahrungen machen können an denen ich wachsen würde. Vorstellbar wäre ein reger Austausch mit einem kreativen Religionslehrer oder ein barsches Antwortschreiben eines verständnislosen Schulsekretariats. Die Spannweite der Reaktionen wäre sicherlich sehr groß gewesen und das Verarbeiten der vielen Reaktionen auf meine kleine Kunstaktion hätte dazu geführt das meine Persönlichkeit wächst und stärker wird, dessen war ich mir im Vorfeld sehr sicher.

Das Unbekannte suchen, dies habe ich ja bereits bei meiner Künstlersuche in Kalkutta bemerkt, führt sowohl zu kurz-als auch zu langfristig prägenden Erfahrungen. Und gerade unerwartete Erfahrungen können sehr lehrreich sein.

Meine Philosophie ist, dass ein Mensch dessen Persönlichkeit wachsen soll, vor allem Austausch und Kontakt zu seinen Mitmenschen braucht. In diesem Austausch werden ja nicht nur Informationen hin- und hergeschoben, sondern ein gewisser Geist wird spürbar. Der Geist der Freundschaft oder der Geist der Ablehnung und viele Geisteshaltungen dazwischen sind immer wieder spannende Themen, die man spüren sollte. Und diese Möglichkeiten wollte ich mir durch mein Projekt erschaffen.



Als wichtigen Teil der Unterstützung des Presbyteriums hätte ich mir ein Empfehlungsschreiben gewünscht. Mit dem Tenor „Lieber Religionslehrer der Schule X und liebe Prebyterkollegen der Kirchengemeinden Y, Herr Buntrock lebt seit Jahrzehnten in unserer Kirchengemeinde, bitte unterstützt ihn bei seinem Einsatz nach Gerechtigkeit und helft ihm bei seiner Petition für bessere Entschädigungen der Conterganopfer.“

Leider hat mich das Presbyterium nicht empfangen wollen und lies mir dies durch Pastor Biermann mitteilen. Herrn Biermann entfiel aber mir diese Nachricht zu überbringen und einige Monate später trafen wir uns am besagten 5. November letzten Jahres bei der oben erwähnten Lesung von Frau Lichtenberger und saßen nebeneinander im Publikum. Nun fiel ihm ein was er mir zu sagen hatte.

Es war ihm zwar peinlich das er erst jetzt, einige Monate nach meiner Anfrage nach Unterstützung antwortete, aber nicht so sehr was er mir zu sagen hatte.

Seine Worte waren, dass das Presbyterium entschieden habe, mich nicht zu treffen und mein Anliegen auch nicht unterstützen wollen, denn diese Aufgabe habe „keine Priorität“ für das Presbyterium. Er solle mir noch ausrichten das es ja Behindertenverbände und die Diakonie gebe, an die ich mich um Hilfe bittend wenden könnte.

Ich war von der Antwort sehr verblüfft und habe Herrn Pastor Biermann sofort gesagt, dass ich die Ansicht des Presbyterium für nicht akzeptabel halte und mich zu gegebener Zeit dazu kritisch äußern werde.

Aber bevor ich mich zu dem Thema äußern wollte, nahm ich mir vor mit viel Zeit gründlich über das von Pastor Biermann gesagte nachzudenken. Und auch meine Hobbys wollte ich zu Gunsten der zukünftigen Kommunikationsmöglichkeiten zunächst noch weiter verbessern. Außerdem fing ich nun an, Gott in Gebeten um höhere Conterganrenten zu bitten.

07.11.13, 21:08:53

Ibuki

Fortsetzung:

Sehr geehrter Herr Johner,
die Geschichte ging durch (Gottes?) glückliche Fügung folgendermaßen weiter. Nur wenige Monate später haben die Abgeordneten aller Parteien des deutschen Bundestag sich dafür ausgesprochen dass die Conterganrenten erheblich ansteigen. Ich selber erhalte nun ab letztem Januar monatlich weit mehr als eine Verdopplung und die am schlimmsten betroffenen Opfer erhalten nun sogar eine Versechsfachung der Renten im Vergleich zu vorher. Keine Behindertengruppe in Deutschland hat je vorher eine derartige finanzielle Verbesserung erkämpfen können.

Wir Conterganopfer werden aus tiefster Seele und in alle Ewigkeit allen Menschen danken die uns dabei geholfen haben diesen Schadensausgleich zu erhalten.

Und ist das nicht verrückt, das kurz vor Erreichen eines wichtigen Sieges jemand aus der Siegermannschaft der Kirchengemeinde Dornberg anbot mit ins Team zu kommen.

Stellen Sie sich das einmal vor – die Presbyter hätten mein damaliges Angebot angenommen und nur eine winzige Kleinigkeit zu unserem Sieg beigetragen.

Wäre das nicht ein Gottesgeschenk für das Ansehen der Kirchengemeinde gewesen? 2700 conterganbehinderte Menschen auf der ganzen Welt wäre geholfen worden durch eine kleine Hilfestellung des Presbyteriums der Kirchengemeinde Dornberg. Wir erhalten nun zusammen jedes Jahr Zigmillionen Euro mehr als zuvor und diese Kirchengemeinde hätte auf Ewig unseren Dank erhalten und vielleicht wäre Dornberg sogar ein wenig der Stolz des Himmels geworden.

Diese Meldung würde sicherlich auch immer wieder gerne in den verschiedenen Kirchenmedien mitgeteilt worden. Die Kirchengemeinde Dornberg hätte durch aktives Unterstützens meines Planes dem Namen der Konzeption des Kirchenkreises Bielefeld „Vertraut den neuen Wegen“ alle Ehre gemacht.

Aber - so kam es ja nicht. Die Gnade des günstigsten Zeitfensters nützt nichts wenn es nicht ergriffen wird. Im Gegenteil. Wenn wir Conterganopfer uns nun Gedanken über das Presbyterium der Kirchengemeinde Dornberg machen, fällt uns etwas anderes als Dank ein.

Und manche von uns schauen auch mal in die Bibel um zu verstehen was in der Kirchengemeinde Dornberg so los ist und wie nun damit umzugehen sei. Dort steht geschrieben:“ Und sehet darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume; dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und viele durch dieselbe verunreinigt werden.“(Hebräer 12,15)

Das Presbyterium hat meiner Meinung eine Grundhaltung gezeigt die ich „unterlassene Hilfeleistung“ nenne. Und meint die Bibel, diese unterlassene Hilfeleistung sei eine bittere Wurzel die wächst, Unfrieden stiftet und viele Menschen dadurch verunreinigt?

Ist nicht überhaupt das Erstaunliche, das diese unterlassene Hilfeleistung im Jahre 2012, also Mitten in der sogenannten Luther-Dekade passierte, in der, wie wir wissen, das Jahresthema „Reformation und Musik“ gefeiert wurde.

Ich habe im Internet die zuvor erwähnte Konzeption gelesen und meine nun erst recht das das Presbyterium von allen guten Geistern und von ihrer eigenen Konzeption entfremdet gewesen ist als sie mir den Stempel „Keine Priorität“ verpassten.

Denn sie haben mit dieser Formulierung nicht nur mir sondern auch jedem Einzelnen der anderen 2700 Conterganopfern eine Ohrfeige verpasst. Ich kann hier gar nicht klar genug sagen das die vom Presbyterium gezeigte Grundhaltung gegenüber uns Conterganopfern im absoluten Widerspruch zur Konzeption des Kirchenkreises steht.

Zum Beispiel die schönen Sätze der Konzeption auf den Seiten sieben und acht, die da lauten „Dazu gehört auch die Ermutigung, das Einbringen aller Begabungen zu fördern“ und „Die Kirche bietet Geborgenheit und Zuflucht für alle, insbesondere für Gefährdete, Schwache und Fremde“ werden durch die dargebotene Grundhaltung der Presbyter aufs Gröbste missachtet.

Inmitten dieses Jahres 2012 bekam ein musizierendes, jonglierendes und langjährig in der Kirchengemeinde wohnendes conterganbehindertes Gemeindemitglied von den „Ältesten“ seiner zuständigen Kirchengemeinde den Stempel „keine Priorität“ aufgedrückt. Welch eine bittere Wurzel stiftet da im Presbyterium der hiesigen evangelischen Kirchengemeinde ihr Unwesen?

Diesen knallharten Stempel werde ich mir merken, soviel ist sicher. Ich werde in meinem Theater- und Musikprojekt versuchen das Beste daraus zu machen.





Sehr geehrter Herr Johner,
sehr passend zu meiner Grundhaltung finde ich was der Bundespräsident in einem Essay der Zeitschrift Chrismon zum diesjährigen Reformationstag schreibt. Es trägt den Titel „Die Welt verändern, Schritt für Schritt“.

Herr Gauck schreibt darin.“ Stark macht uns die Erkenntnis, dass wir es sind, (die) diese Welt verändern können und beschreibt den psychologischen Fachbegriff „Selbstwirksamkeit“ der allerdings auch ein Gegenüber brauche, „mindestens einen Menschen, der hinsieht, zuhört, reagiert.“

Aufgrund dieser klugen Worte, wird Bundespräsident Gauck in meinem Verteiler als Experte für Selbstwirksamkeit aufgenommen und er, wie auch alle anderen Experten, bitte ich konstruktiv ihre Meinung einzubringen.

 
 
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